Vor etwa einem Jahr fanden sich in der Bibliothek des Ferdinandeums zahlreiche Interessierte zur ersten Auflage der „Stationen der Medizingeschichte“ ein. An vier Stationen wurden anhand einiger medizinhistorischer Objekte bestimmte Aspekte der Medizingeschichte in einem Impulsvortrag vorgestellt. Die positiven Rückmeldungen der Anwesenden ließen schon letztes Jahr an eine Fortsetzung dieser Veranstaltung als regelrechte Reihe denken. Die Initiatoren, Mag. Roland Sila als Leiter der Ferdinandeumsbibliothek, Dr. Andreas Winkler und Mag. Dr. Christian Lechner einigten sich auf einen neuen Veranstaltungsort und zwar die Innsbrucker Kinderklinik. Der Kontrast zwischen einem der neuesten Gebäude der Medizinischen Universität Innsbruck und den historischen Objekten sollte der Veranstaltung eine besondere Spannung verleihen.
Von Anfang an waren neue Themen für die zweite Auflage angedacht und auch an neue Kooperationspartner traten die Initiatoren heran. Mit Mag. Dr. Karl Berger, dem Leiter des Tiroler Volkskunstmuseum, war ein solcher erfreulich schnell gefunden und auch die vier Themen waren damit abgesteckt: Sowohl Dr. Berger als auch Mag. Sila und Dr. Winkler wollten medizinhistorische Besonderheiten aus den jeweiligen Sammlungen präsentieren. Dr. Lechner, der letztes Jahr bereits Objekte zur Wehrmedizin im Zweiten Weltkrieg präsentiert hatte, nahm sich des Themas „violette und ultraviolette Strahlung“ an.
Am 10.04. wurden die über 50 Anwesenden von der stv. Direktorin der Pädiatrie I, Frau Ao. Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall, herzlich begrüßt. Besonders freute sich Frau Prof. Karall über die vielen Studierenden, die zur Veranstaltung erschienen sind. Auch Vereinsobmann HR Dr. Christoph Neuner war sichtlich ob der vielen Anwesenden begeistert und bedankte sich bei Frau Prof. Karall für die Gastfreundschaft und bei den Referenten für die Organisation des Abends. Anschließend wurden die Gäste in vier Gruppen geteilt und zu den bereits aufgestellten vier Stationen gebeten. Jede Gruppe sollte schließlich alle vier Stationen „durchlaufen“ haben.
Im Wartebereich der Bestellambulanz im 1. Stock der Kinderklinik begann Dr. Lechner mit Werbeslogans für Hochfrequenz-Bestrahlungsapparate, um die Anwesenden in die Thematik einzustimmen: „Sind Sie krank, werden Sie gesund“, „Nur die Gesundheit ist das Leben“ und „Elektrizität ist das Leben“. Der Entwicklung der Hochfrequenz-Strahlapparate geht die Erfindung eines Transformators voraus, der Wechselströme von hoher Spannung erzeugte. Der Erfinder Nikola Tesla (1856-1943) hat einen solchen Apparat erstmals auf der Weltausstellung 1893 in Chicago vorgestellt. Der Franzose Jacques Arsene d’Arsonval (1851-1940) bereitete mit seiner Arbeit zur Elektrophysiologie den Weg der Hochfrequenzen in die Medizin. Das kleinere Modell, genannt „Elesan“, der Firma „Josef Messner Hall in Tirol, Spezialunternehmen für elektromedizinische Apparate“ wurde um 1930 hergestellt. Der größere „Helios“-Strahlapparat stammt aus der Zeit zwischen 1960 und 1978. Genau einzugrenzen ist dies dadurch, da die Firma „Franz Gischka, Linz, Erzeugung sämtlicher Elektromedizinischer Apparate“ wohl nur während dieser Jahre existiert hat. Die erhofften Wirkungen laut zeitgenössischen Werbeprospekten lagen in „erhöhter Blutzirkulation, der Ausscheidung verbrauchter oder kranker Stoffe, vermehrter Sauerstoffaufnahme des Körpers, erhöhter Funktionstätigkeit der Organe, der Durchblutung der Gewebe, starken schmerzbefreienden Effekten und einer durch die Violettstrahlen erzeugten elektrischen Zellenmassage.“ Anfang des 20. Jahrhunderts waren sich viele Mediziner einig: „Die Anwendung der Hochfrequenzströme in der Therapie hat zweifellos eine große Zukunft.“ Heutzutage allerdings werden solche Geräte nur mehr in der Alternativmedizin oder bei Heilpraktikern eingesetzt. Wer sich das Demonstrationsvideo anschaut, wird verstehen, warum im anglo-amerikanischen Raum „violett rays“ als Bezeichnung für die Strahlapparate geläufig war. Nach der Erklärung dieser „violetten Strahlen“, sprach Dr. Lechner über die ultravioletten Strahlen. Um 1900 entwickelt der deutsche Physiker Richard Küch (1860-1915) bei der Firma Heraeus eine Methode zur Herstellung von hochwertigem Quarzglas. Zuerst wollte die Firma solche Quarzlampen als Straßenbeleuchtung verkaufen, regelmäßig aber zeigten Passanten Hautreaktionen im Sinne eines Sonnenbrandes, weswegen die städtischen Verwaltungen auf Metalldrahtlampen wechselten. Die Firma hört etwa zeitgleich aus der Schweiz, dass die Hochgebirgssonne besonders gegen Tuberkulose helfen solle und wechselte mit ihren Lampen ins medizinische Feld. Küch wurde damit zum Wegbereiter für Körperbestrahlung mit künstlichen UV-Quellen. Die Firma Heraeus gründet gemeinsam mit AEG 1906 die Quarzlampen G.m.b.H., die für Produktion und Vertrieb zuständig wurde. Bekanntestes Verkaufsobjekt war sicherlich die Quecksilberdampf-Hochdrucklampe „Höhensonne“. In der Medizin wurden solche UV-Lampen bei unterschiedlichsten Krankheiten verwendet, den wichtigsten Beitrag leisteten sie aber sicherlich bei der Prophylaxe der Rachitis.
An der nächsten Station stellte Mag. Sila Besonderheiten aus der Bibliothek des Ferdinandeums vor. Hier wurden drei gedruckte Objekte gewählt, die durchaus eine genauere Betrachtung verdienen. Zum einen waren dies die beiden Periodika „Der Tirolische Arzt“, der nur in den Jahren 1791/1792 erschienen ist, und die Medicinisch-chirurgische Zeitung, die beinahe zeitgleich 1790 in Salzburg gegründet wurde, bis 1864 erschien und z.B. über 8000 Rezensionen von medizinischen Büchern enthielt. Während der Tirolische Arzt es nur auf ca. 200 Abonnenten brachte, war die Verbreitung der Medicinisch-chirurgischen Zeitung im gesamten deutschen Sprachraum gegeben. Beide Periodika erschienen zumindest zeitweise in Innsbruck und sind eine überregional relevante Quelle für Medizinhistorikerinnen.
Das dritte gewählte Objekt war das gedruckte Gutachten des Innsbrucker Neurologen Eduard Gamper zum Mordfall Halsmann, der in den späten 1920er-Jahren international großes Aufsehen erregt hatte (es kam zu zahlreichen antisemitischen Ausschreitungen in Innsbruck, der Fall, der den Vorwurf des Vatermordes beinhaltete, konnte nie restlos geklärt werden). Auffallend war, dass ein Gutachten auch öffentlich publiziert wurde. Der Angeklagte Philipp Halsmann wanderte nach seiner Enthaftung in die Vereinigten Staaten aus und wurde zum berühmten Fotografen.
Danach zeigte Dr. Winkler historische Objekte aus der Privatsammlung, darunter ein Gefäß für Guajak („Franzosenholz“), das gegen Syphilis („Franzosenkrankheit“) eingesetzt wurde. Dr. Berger hatte aus dem Volkskunstmuseum unter anderem einen alten Mondkalender mitgebracht und veranschaulichte dadurch die besten Zeiten für einen therapeutischen Aderlass.
Nachdem alle Anwesenden diese vier Stationen besucht hatten, lud der Freundeskreis Pesthaus, unterstützte durch die Hypo Tirol Bank (Klinikfiliale, Leiter Roland Schreier) noch auf ein Getränk ein. In gemütlicher Atmosphäre demonstrierte Dr. Lechner noch auf Nachfrage den „Helios“-Strahlapparat.
Auch nach dieser zweiten Auflage der „Stationen“ waren die Rückmeldungen sehr positiv, so dass die Reihe im April 2019 höchstwahrscheinlich im Tiroler Volkskunstmuseum fortgesetzt werden wird.
Video: Demonstration Hochfrequenz-Bestrahlungsapparat Helios