Seneca und die Covid-19-Pandemie

Gedanken unseres geschätzten Schriftführers ao. Univ.-Prof. Dr. Edwin Knapp für das Patscher Dorfblatt aus Sicht des dortigen Seniorenbundes:

Patscher Seniorenbund

 Alles ist ins Wasser gefallen, kein Herbstausflug, kein Besuch im medizinhistorischen Museum, die Adventfeier werden wir absagen müssen. Man könnte fast verzweifeln. Da ist mir in den letzten Tagen ein Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung in die Hände gefallen und der hat mich in meiner Haltung sehr bestätigt: Die Umständlichkeiten der Pandemie sind – frei nach Seneca – auch Gelegenheit, den Kopf frei zu bekommen.

Seneca war ein römischer Geschäftsmann und Philosoph, wurde vom Senat zum Tode verurteilt, von Kaiser Claudius begnadigt und nach Korsika verbannt. Vor zweitausend Jahren war Korsika kaum bewohnt, ein roher Winkel im Römischen Reich und eine intellektuelle Wüste – ein hartes Los.

Verbannt im „Lockdown“, tun wir gut daran, nachzulesen, wie es Seneca schaffte bei geistiger Gesundheit zu bleiben. Er war Stoiker, eine praktische Philosophie, deren Ziel „Seelenruhe“, „Gleichmut“ oder „innere Stabilität“ ist, oder mit der „Abwesenheit giftiger Emotionen“. Was würde uns Seneca für den Umgang mit Covid-19 raten?

Erstens hören wir auf zu lamentieren. Lamentieren bringt nichts. Das Virus kümmert sich nicht um unsere Meinung und Gefühle. Für Seneca gibt es einerseits Dinge, die wir beeinflussen können und andererseits Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Tun wir, was wir können (Masken tragen, Abstand halten, Händewaschen, Home-Office).

Zweitens akzeptieren wir, dass wir kein größeres Wissen bezüglich des Virus haben als die Experten. Stoiker hätten nicht nonstop über Covid-19 diskutiert, sie hatten Nützlicheres zu tun.

Drittens halten wir Abstand auch im übertragenen Sinn. Frühere Generationen haben schlimmere Epidemien überstanden, die paar Monate sind ein Klacks dagegen.

Viertens weisen wir dem Virus den richtigen Platz zu. Partyverbot, Fußball-Geisterspiele, Homeschooling oder beschlagene Brillengläser über der Maske, es gibt Schlimmeres.

Seneca schrieb während der acht Jahre Verbannung zwei Briefe an seine Mutter: „Lass dir sagen: Ich bin fröhlich und lebhaft, als sei alles zum Besten. Es ist ja auch alles zum Besten, da mein Kopf frei ist von dem Druck des Geschäfts…“

Der Seniorenbund Patsch meldet sich mit den Weihnachtswünschen noch in einer Zusendung.

Bleibt gesund!