Contergan/Thalidomid. Der Skandal und seine Folgen in Österreich und Italien
Martina Rabensteiner, MA MA (Innsbruck)
Nach einem Jahr pandemiebedingter Pause konnten wir dieses Jahr endlich wieder einen MuGI-Abend organisieren. Um Planungssicherheit zu gewährleisten, wurde dieser mittlerweile 7. MuGI-Abend trotz der letzten Öffnungsschritte virtuell durchgeführt.
Unser Obmann Mag. Dr. Christian Lechner begrüßte die Anwesenden, erörterte kurz die Entstehungsgeschichte des MuGI-Abends und bedankte sich schon vorab bei der Referentin des heutigen Abends, Frau Martina Rabensteiner MA MA, für ihre Bereitschaft und Flexibilität sowie bei den Mithörenden für ihr Interesse. Weiterhin wird diese Veranstaltung durch den Freundeskreis Pesthaus, die Kinderklinik Innsbruck und das Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie organisiert. Auch die Hypo Tirol Bank (Klinikfiliale, Direktor Daniel Senn, BSc) unterstützt dankenswerterweise diese Vortragsreihe.
Anschließend stellte Frau ao. Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Dietrich-Daum die Referentin des heutigen Abends vor, leitete kurz ins Thema ein und betonte die Wichtigkeit dieses Forschungsprojektes.
Frau Rabensteiner begann ihre Ausführungen mit der Geschichte von Thalidomid, welches im Oktober 1957 in Deutschland rezeptfrei von der Firma Grünenthal als Contergan auf den Markt gebracht wurde und auch für Schwangere erlaubt war. Wenige Jahre später werden erste Beobachtungen über den Zusammenhang der Thalidomideinnahme und dem Auftreten von Fehlbildungen der Extremitäten bei Neugeborenen bekannt. 1961 wird Contergan vom Markt genommen. In den anschließenden Jahren und letztlich Jahrzehnten kämpften die Betroffenen und ihre Angehörigen um entsprechende Schadenersatzzahlungen.
International wurde Thalidomid in über 50 Handelsnamen beworben und verkauft. In Österreich kam Thalidomid als Softenon am 12.11.1958 auf den Markt und wurde Ende 1961 aus dem Handel gezogen. In Österreich war Softenon aber aufgrund des Engagements der Pharmakologin Ingeborg Eichler nur mittels Rezepts erhältlich. Die finanzielle Entschädigung für Thalidomidgeschädigte gestaltete sich in Österreich deutlich schwieriger als in Deutschland.
In Italien gab es für Medikamente keinen Patentschutz, so dass dort auch viele kleine Pharmafirmen existierten und unter anderem thalidomidhaltige Medikamente herstellten. Über 14 Medikamente mit Thalidomid als Bestandteil gab es deswegen in Italien. Die besondere Problematik in Italien besteht darin, dass bereits 1956 thalidomidhaltige Medikamente erhältlich waren, der Staat Italien aber das Jahr 1958 als offizielles Einführungsjahr des Medikamentes festlegte. Dies hat die praktische Konsequenz, dass Betroffene, die vor 1958 geboren wurden, keinen Schadenersatz beantragen konnten. 1962 erfolgte die Rücknahme der thalidomidhaltigen Medikamente in Italien.
Für weitere Details verweisen wir auf die Aufzeichnung des Vortrages, hier der Link dorthin: https://youtu.be/rN-FVaJsLZ4
Nach dem Vortrag von Frau Rabensteiner entspann sich eine interessante Diskussion und Fragerunde. Dr. Lechner bekräftigte abschließend nochmals die besondere Bedeutung dieser geschichtswissenschaftlichen Arbeit für die Gegenwart und bedankte sich bei Frau Rabensteiner für ihren spannenden Vortrag und bei den Anwesenden für ihr Interesse.